Lebenslauf mit Hautfarben

Ehrliche Worte eines ehemaligen Recruiters.

Es wäre so schön, wenn…

  • Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit und Familienstand bei einer Bewerbung keine Rolle spielen würden.
  • sich Recruiter nur eine Minute lang mit jeder Bewerbung auseinandersetzen oder zumindest die Bewerbungsunterlagen einmal sorgfältig durchlesen würden.
  • Bewerbungsfotos keine Rolle spielen würden.

Also, wenn jede und jeder Jobsuchende eine Chance bekommen könnte. Es ist aber leider nicht so. Wenn dir diese Schattenseiten der Welt des Recruitings klar sind, kannst du mit deutlich weniger Stress durch die Bewerbungsphase kommen. Und genau das ist mein Ziel mit diesem Artikel.

DISKRIMINIERUNG

Fangen wir bei dem Klassiker der Diskriminierung an. Zuerst müssen wir verstehen, wo das Problem ist. Dazu eine kleine Geschichte: Vor einigen Jahren wollte Amazon einmal und für immer Diskriminierung aus dem Auswahlprozess von neuen Mitarbeitenden verbannen. Die Unternehmensleitung hat nämlich richtig erkannt, dass es im Interesse des Unternehmens ist, die besten und geeignetsten Menschen und nicht zum Beispiel die besten und geeignetsten weißen sportlichen Männer einzustellen. Für diesen Zweck hat Amazon eine KI entwickelt, die die komplette Vorauswahl vollautomatisiert übernehmen sollte. Die Manager müssten im Anschluss nur noch die Einladungen zum Vorstellungsgespräch rausschicken. Es hört sich eigentlich gut an, oder? Software hat doch keine Vorurteile. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass die KI ganz klar Frauen benachteiligte. Als der Fall detaillierter geprüft wurde, lag die Ursache ziemlich klar auf der Hand: Die KI von Amazon war genauso vorgegangen, wie jede andere KI auch. Sie analysierte Daten und erstellte darauf basierend ein ideales Bewerberprofil für die einzelnen Stellen. Dazu hat sie einfach geprüft, wer in den letzten zehn Jahren für die Stellen eingestellt worden war. Und das waren überwiegend Männer…

Kein Wunder, dass Amazon die KI ziemlich schnell wieder abschaffte. Dieses Beispiel zeigt uns, wo Vorurteile und Diskriminierung herkommen: Fast immer von den Hiring Mangern. Dafür kann es aber ganz unterschiedliche Gründe geben.

Bei der ethnischen Zugehörigkeit können wir nichts schönreden und leider auch nur wenig dagegen tun (außer es selbst als Führungskraft einfach besser machen!). Für rassistische Vorgesetzte will man definitiv nicht arbeiten…
Manchmal liegt es aber auch gar nicht an den Führungskräften, sondern an der Personalabteilung. Dies durfte ich persönlich erleben, als ich nach Deutschland gezogen bin. Einmal hat es sich sogar herausgestellt, dass der Werkstudent im Recruting auf Basis meines Namens meine Bewerbung ohne Prüfung einfach abgesagt hat…
Was kannst du dagegen tun? Also gegenüber den vorurteilsbehafteten Menschen nicht allzu viel, aber grundsätzlich solltest du einfach großartige Bewerbungsunterlagen abgeben. Nimm dir Zeit und suche dir auch Hilfe dabei. Beauftrage zum Beispiel einen Lektor oder eine Lektorin für die sprachliche Korrektur!

Das Alter ist auch so ein schwieriger Fall. Ältere Bewerber und Bewerberinnen werden von den Hiring Managern in der Regel aus zwei Gründen benachteiligt: Weil der Job eine physische oder mentale Belastung darstellt, die laut den Entscheidern für ältere Mitarbeitende schwer zu tragen ist, oder weil älteren Kandidaten und Kandidatinnen nicht mehr viel zugetraut wird. So gilt ihr Fachwissen als veraltet oder ihnen wird unterstellt, nichts Neues mehr lernen zu können oder zu wollen. Wenn dir diese Hürden bekannt sind, kannst du in deinem Lebenslauf oder Anschreiben genau diese Themen ansprechen. Wenn du dich auf eine Stelle mit verhältnismäßig hoher physischer Belastung bewirbst und über 50 Jahre alt bist, aber regelmäßig Kraftsport machst, solltest du das im Lebenslauf auf jeden Fall erwähnen. Wenn du dich auf einen Bürojob bewirbst, zeige durch Nachweise über Fort- oder Weiterbildungen, dass dein Fachwissen auf dem aktuellen Stand ist!

Wichtig: Vorurteile können dich aber auch schützen. Wenn du physische Belastungen nur schwer erträgst, bewirb dich lieber nicht auf Jobs, wo du tatsächlich ganztags schwere Gegenstände heben musst. Wenn du dich auf einen Bürojob bewirbst, dich aber in Office–Anwendungen nicht fit fühlst, mache zuerst einen Crash-Kurs.

Zum Familienstand: Hier werden häufig Frauen benachteiligt. Natürlich sind Mütter nicht die einzigen Elternteile, die für die Kinder verantwortlich sind, und zum Glück nehmen immer mehr Väter aktiv an der Erziehung der Kinder Teil, aber die Vorurteile bestehen weiterhin. Frauen mit kleineren Kindern haben mehr Fehltage. Sie sind – aus rein wirtschaftlicher Sicht – gegenüber kinderlosen Frauen einfach ein schlechterer Deal für Unternehmen. Hier gibt es nicht die eine richtige Strategie. Viel hängt auch davon ab, ob ein Überangebot an deinen Kompetenzen auf dem Markt besteht. Manchmal lohnt sich Transparenz, indem du zum Beispiel im Anschreiben erwähnst, dass du einen Job suchst, der es dir ermöglicht, deine Kinder um 15:00 Uhr aus der KITA abzuholen und eventuell auch im Homeoffice zu arbeiten.
Ist die Konkurrenz groß, rate ich von zu großer Transparenz in den Bewerbungsunterlagen ab. Sprich das Thema aber im Vorstellungsgespräch auf jedem Fall an, wenn du schon einen guten Eindruck gemacht hast. Wenn die Führungskraft empathisch und auch flexibel genug ist, findet man in der Regel eine Lösung.

OBERFLÄCHLICKEIT DER RECRUITER

Tja, Recruiter sind auch nur Menschen (zumindest seit die Recruiter-KI von Amazon abgeschafft wurde…😊). Und diese Menschen arbeiten in der Regel unter großem Zeitdruck, weil sie häufig für eine Stelle 100-200 Bewerbungen bekommen. Es ist also fast eine Notwendigkeit, dass sie einigermaßen oberflächlich sind, ansonsten schaffen sie ihr Arbeitsaufkommen nicht.

Was kannst du also dagegen tun? Du kannst ihnen auf jeden Fall ihren Job erleichtern! Achte also auf diese Punkte:

  • Vollständige Bewerbungsunterlagen: Ein aktueller Lebenslauf, ein individuelles Anschreiben, Schul- und Arbeitszeugnisse gehören einfach dazu.
  • Ästhetisches Design der Bewerbungsunterlagen: Dadurch kannst du aus der Masse herausstechen. Wenn du die Aufmerksamkeit der Recruiter einmal bekommen hast, musst du sie nur mit dem Inhalt überzeugen. 😊
  • Individualisiere deinen Lebenslauf auf die Stelle. Wenn in der Stellenausschreibung bestimmte Erfahrungen oder Kenntnisse gewünscht sind, sorge dafür, dass sie entsprechend prominent in deiner Bewerbung platziert sind (zum Beispiel in deinem Kurz-Profil im Lebenslauf).

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Recruiter im Durchschnitt fünf bis zehn Sekunden für die Sichtung einer Bewerbung verwenden (je nach gewünschter Qualifikation mehr oder weniger). Dies bedeutet aber nicht, dass jede Bewerbung nur zehn Sekunden Aufmerksamkeit bekommt, sondern einige nur zwei Sekunden, während andere fünf Minuten erhalten. Baue deine Unterlagen so auf, dass sie fünf Minuten verdienen!

Tipp: Dazu bekommst du hilfreiche Tipps in unserem Lebenslauf Guide!

BEWERBUNGSFOTO

Was für einen Nutzen hat das Bewerbungsfoto für den Arbeitgeber? Nun, in den meisten Fällen gar keinen. Außer du hast während des Jobs viel persönlichen Kundenkontakt mit Vertriebsschwerpunkt. Auch werden Fotos von Backend-Entwicklern gern gesehen. Vielleicht liegt es daran, dass wir Menschen einfach visuelle Wesen sind und gerne ein „Gesicht vor Augen“ haben wollen.

Fakt ist: Bewerbungen ohne Foto haben schlechtere Chancen.

Ein Foto kann für eine ganze Menge an Vorurteilen als Basis dienen. Wähle also ein Portraitfoto, das wenig Angriffsfläche bietet und im besten Fall sogar Sympathie weckt! 😊

  • Wenn du zum Beispiel ein Piercing hast, trage es für das Bewerbungsfoto lieber nicht. Wähle ein Foto, das dich von deiner besten Seite zeigt. 😊 Ich weiß, es hört sich vielleicht komisch an, aber ich habe schon mehrere Situationen erlebt, in denen der Kandidat oder die Kandidatin „live“ deutlich angenehmer wirkte, als vom Foto her zu vermuten war…😊
    Lass das Bewerbungsfoto entweder von einem Fotografen schießen oder benutze dein Handy: Richte deine Haare, leuchte den Raum gut aus und lächle! Mache zehn Fotos und wähle das beste Foto aus.
  • Sei nicht „too much“! Ein häufiger Fehler ist auch, ein Foto zu verwenden, das eher für Tinder geeignet wäre. Für die meisten Jobs ist das eher kontraproduktiv.
  • Verwende bitte immer ein Bewerbungsfoto! Auch wenn du denkst, dass du nicht so gut aussiehst! Wenn der Chef nur Models einstellen will, dann ist es auch besser, direkt bei der Vorauswahl auszufallen, oder? 😊

Mein abschließender Ratschlag an dich: Tue alles dagegen, dass du bei der Bewerbung diskriminiert wirst, aber verliere nicht viel Zeit und vor allem Nerven damit, falls es doch passiert.

Du verdienst einen Arbeitgeber, der dich wertschätzt!

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